Historisches
Seit nunmehr 480 Jahren wird das hannoversche Schützenfest gefeiert, was nahe legt, dass auch im Umkreis der Stadt schon seit mehr als zwei Jahrhunderten Schützenfeste gefeiert werden. Der Ursprung des Schützenwesens ist offensichtlich im Wehr- und Sicherheitsbedürfnis von Bauern und Bürgern zu suchen, die ihre Dörfer und Städte in der damaligen Zeit immer wieder gegen Angriffe von Feinden verteidigen mussten. Nicht von ungefähr haben in den Aufzeichnungen die aktiven Teilnehmer der Schützenfeste militärische Rangbezeichnungen wie General, Hauptmann, Leutnant oder Pionier, die in sich einigen Schützenvereinen bis heute behauptet haben. Auch auf diesem Foto aus dem Jahr 1928 sind verschiedene Uniformen zu erkennen, die sich die Mitglieder der ein Jahr zuvor gegründeten Schützengesellschaft Letter offensichtlich in hannoverschen Kostümverleihen besorgt haben.
Schützenwesen in Letter
Quelle: Letter – Geschichte und Geschichten – eine Chronik
Von Heinrich Tiefuhr
Schützenfeste gab es in Letter schon vor Hunderten von Jahren. Sie fanden alle vier oder fünf Jahre statt. Veranstalter war bis zum 1. Weltkrieg die „Schützengesellschaft“, die sich zu jedem Schützenfest neu bildete. Junge Leute trafen sich um die Fastnacht herum in einer Wohnung oder, als es den Krug in Letter gab, ab etwa mitte des 19. Jahrhunderts in der Gastwirtschaft „zum Storchennest“ und bestimmten die „Schaffer“, die als Festkommitee das Fest vorzubereiten, auszurichten und zu überwachen hatten.
1834 schaffte sich die Schützengesellschaft auch eine Fahne an, die mit der Aufschrift „Vivat Letter“ noch heute vorhanden ist. Die Schießwettbewerbe zum Schützenfest wurden im letterschen Holze oder im Kalksteinbruch am Mönkeberge ausgetragen. Mit einem Militärgewehr, später auch mit Kleinkalibergewehr wurden aus 75 oder 100 Meter Entfernung geschossen. Um Schützenkönig zu werden, war nicht unbedingt schießsportliches Können erforderlich, sondern in erster Linie eine gutgefüllte Geldbörse. Es lag letztlich in den Händen der sogenannten Anzeiger, wem die Königswürde zuerkannt wurde. Einige junge Burschen, die in den Deckungslöchern hinter den Scheiben lagen, zeigten nach jedem Schuß die Ringzahl an-durch Zeichenverständigung erfuhr man, wenn der Auserkorene den Königstreffer angebracht hatte. Es soll sogar vorgekommen sein, daß entsprechende Löcher in das Zentrum der Holzscheibe gebohrt wurden. Weil die Einschußlöcher mit Holzpflöcken gefüllt wurden, war es hernach sowieso nicht möglich, den Einschuß jedes einzelnen Schützen zu klären.
An zwei oder drei Wochenenden vor dem Fest wurde das Marschieren in Formation unter Anleitung eines gedienten Soldaten eingeübt, damit es beim Festzug auch klappte. Am Abend vor dem Fest war noch Generalprobe, der sich eine Bierprobe anschloß. Beides nannte man auch das „Holschenklappen“, wohl darum, weil die jungen Mädchen noch nicht in Festkleidung, sondern noch mit Holzschuhen an den Füßen, aus respektvoller Entfernung zusahen und dann später aber doch noch in den Trubel hineingezogen wurden.
Das letzte dieser traditionellen Schützenfeste wurde Pfingsten 1914 abgehalten. Als Festplatz dienten Schafweiden am Möllerkamp (jetzt Druckerei Söftje) oder Gelände am Koppelweg (jetzt Industriegebiet am Kanal).
Höhepunkt des Schützenfestes war damals wie heute der Umzug am ersten Festtag. Im Unterschied zu heutigen Ausmärschen, die von den Spitzenvertretern aus Rat, Verwaltung und Vereinsvorstand angeführt werden, marschierten früher, militärischem Brauch entsprechend, „Pioniere“ vorneweg. Schwarze Bärte, vorgebundene Lederschürzen und schwere Äxte verliehen ihnen ein gewaltsames Aussehen. Den Dorfbewohnern machte es Spaß zuzuschauen, wenn sie dem folgenden Zuge möglichst sperrige oder schwere Hindernisse wie Buschwerk, Bäume oder auch alte Eisenbahnschwellen wegräumen mußten.
Die übrigen Schützen marschierten mit geschultertem Holzgewehr, in dessen Mündung ein Blumestrauß steckte. Die „Schaffer“ führten jeweils eine Abteilung des Zuges an. Eine Hauptperson, besonders für die Kinder, war der den Zug begleitende „Paijatz“, eine Art Clown, der die Zuschauer durch mancherlei Späße erfreute. Es gab eine oder mehrere Musikkapellen beim Umzug, auf dem Festzelt spielten meist die selben Musiker, die auch schon dem Umzug begleitet hatten. War der Zug auf dem Festplatz angekommen, begann hier ein reges Treiben, auch wenn das Vergnügungsangebot aus heutiger Sicht bescheiden war.
Um die Jahrhundertwende gab es eine Würstchenbude, die der Opa Laue (auch Ziegenschlachter) betrieb, für die Kinder gab es eine Bude, in der Mutter Garnebow begehrte Süßigkeiten verkaufte. Dann gab es immer auch ein Karussel mit Pferdchen.
Im Zelt wurde getanzt und gefeiert, meist die ganze Nacht lang. Der zweite Festtag begann mit dem Annageln der Scheibe, dem in der Regel ein weiterer Umzug durch das Dorf von Hof zu Hof voranging. Anschließend war Festessen für die Dorfbewohner. Der dritte Festtag stand dann gewöhnlich im Zeichen der Frauen, die das Fest mit einer ausgedehnten Kaffeetafel beherrschten.
Seit dem 2. Weltkrieg sind die Programme des zweiten und dritten Festtages auf einen Tag nämlich den dem Montag zusammengezogen. Aber trotzdem dauert das Schützenfest wie früher, auch jetzt drei Tage, denn der Festkommers, das, was früher die General- und Bierprobe war, findet jetzt schon Freitags statt. Seit einigen Jahren Veranstaltet der Festwirt am Freitag eine Zeltdisco die vor allem bei der letterschen Jugend großen Anklang findet. Auch finden sich viele Schützen nach dem Schmücken der Ortschaft dort ein, um das Fest langsam einzuleiten.(anm. d. Webteams).
Alle drei Festtage finanziell und gesundheitlich durchzustehen, erforderte früher und heute eine gute Kondition.
Nach dem letzten Schützenfest 1914 war in Letter Pause bis 1927. Dann gründete Reinhold Hänze, Friseur und Trichinenbeschauer, mit einigen Getreuen den jetzigen Schützenverein unter dem Namen „Schützengesellschaft von 1834 Letter“. Durch den Namen wurde auf die alte lettersche Tradition hingewiesen. Das Schützenfest fand zwischen den beiden Kriegen immer am Möllerkamp statt, der Schießstand für Kleinkaliber- und Karabinergewehr war im Letter-Holz.
Im 2. Weltkrieg gab es keine Vereinstätigkeit in Letter. Ende 1949 wurde der Verein von 60 Mitgliedern wiedergegründet. Zunächst wurde im Gastzimmer des Vereinswirtes Georg Röhrbein mit Luftgewehr geschossen. In den 60er Jahren wurde eine alte Sandkuhle am Schützenweg als Schießstand hergerichtet und auch ein Schützenhaus mit Gaststätte dort errichtet. 1955 wurde eine Damenabteilung eingerichtet.
Seit 1988 sind die letterschen Schützen in der modernen Schießsportanlage am Leinestadion untergebracht.
Die Schützengesellschaft und das alljährlich am letzten Sonntag im August stattfindende Schützenfest in Letter auf dem Festplatz Alte Aue finden große Resonanz bei den Letteranern. Da die übrigen größeren Vereine nur alle fünf Jahre etwa oder aus Anlaß besonderer Jubiläen ein Zeltfest im Sommer veranstallten, ist das Schützenfest das Volksfest in Letter.
Vielen Dank an den Autor für die Bereitstellung des Textes aus der „Letter-Chronik“.
Vielen Dank an den Autor für die Bereitstellung des Textes aus der „Letter-Chronik“.
Schützenfeste in Letter
Den Aufzeichnungen des letterschen Lehrers und Heimatforschers Ernst Bock (1880 – 1961) verdanken wir unser Wissen darüber, dass und wie im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts die Schützenfeste in Letter gefeiert wurden. Bocks Aufzeichnungenin seiner handschriftlich verfassten Dorfchronik waren auch die Grundlage für Hermann Röhrbeins Artikel in der Ortszeitung „Blick in die Gemeinde Letter“ vom 16. August 1958, für den Bericht „Schützengesellschaft von 1834“ in der Letter-Chronik von Heinrich Tiefuhr und für den Aufsatz von Dr. Waldemar R. Röhrbein in der Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum der Schützengesellschaft Letter. Auf diesen Quellen fußt auch dieser Bericht.
in eindeutiger Beweis für das Schützenwesen in „unserem Dorf“ ist die noch gut erhaltene Fahne mit der Aufschrift „Vivat Letter“, die in der Güldnerstube des letterschen Schützenhauses einen Ehrenplatz erhalten hat. Sie trägt die Jahreszahl 1834 und beurkundet quasi das Gründungsjahr der Schützengesellschaft von 1834 Letter, auch wenn davon ausgegangen werden muss, dass die „Schützengesellschaft“ schon viele Jahre vorher für die Organisation und Ausführung letterscher Schützenfeste zuständig war.
Dabei war diese Gesellschaft kein fester Zusammenschluss und schon gar kein Verein, sondern wurde alljährlich zur Vorbereitung des Schützenfestes aufs Neue gebildet. Laut Bock wurden große, sprich viertägige – in den anderen Quellen ist von drei Tagen die Rede- Schützenfeste nur alle vier Jahre gefeiert, weil die Feste die Beteiligten recht teuer kamen. So mussten die Aktiven 1 Mark fürs Mitmachen bezahlen, alle anderen hatten 1 Mark Tanzgeld pro Tag aufzubringen. Damals eine Menge Geld, denn laut Dr. Waldemar R. Röhrbein verdiente ein Maurer im Jahr 1904 nur 25,80 Mark pro Woche, 1 Kilo Rindfleisch kostete 1,42 Mark.
In den Jahren zwischen den „großen Schützenfesten“ fanden laut Bock zweitägige Tanzveranstaltungen statt. Zur Vorbereitung eines jeden Festes fanden sich kurz nach Fastnacht die jungen Burschen des Dorfes entweder auf einem Bauernhof oder ab Mitte des 19. Jahrhunderts in der damals einzigen Gaststätte, dem „Storchennest“, zusammen, um die „Schaffer“ zu bestimmen. Die mussten als Festkomitee das Schützenfest vorbereiten, ausrichten und überwachen. Das Fest fand in der Regel im Mai statt, wenn die Frühjahrsarbeiten auf den Feldern beendet waren und noch Zeit blieb bis zum Heumachen oder zur Ernte.
Mit dem Festwirt hatten die Schaffer alles für das Essen und Trinken sowie für den Zeltaufbau Erforderliche abzusprechen. Für die aktiven Festteilnehmer organisierten sie an den letzten Sonnabenden vor dem Fest Exerzier- und Schießübungen, damit beim Ausmarsch und beim Scheibenschießen alles klappte. Das Exerzieren und das Aufstellen in Marschformation wurde außerhalb des Ortes auf den Gemeindewiesen geübt, das Schießen in einer Sandkuhle und später im Kalksteinbruch am Mönckeberg. Am Vorabend des Festes gab es eine Generalprobe, die meist mit einer Bierprobe abgeschlossen wurde. Die Schützenscheibe wurde mit einem Militärgewehr auf 75 oder 100m ausgeschossen. „Um Schützenkönig zu werden, war nicht unbedingt schießsportliches Können erforderlich, sondern in erster Linie eine gut gefüllte Geldbörse“, heißt es in der letterschen Chronik von Heinrich Tiefuhr. So lag es letztlich in den Händen der Anzeiger, wem die Königswürde zuerkannt wurde.
Diese jungen Burschen lagen in den Deckungslöchern hinter den Scheiben und zeigten die Ringzahl an: Durch Zeichenverständigung erfuhren sie, wann der Auserkorene zum Königsschuss antrat. Es soll sogar vorgekommen sein, dass der Königsschuss in der Holzscheibe schon „vorgebohrt“ war. Da die Einschusslöcher mit Holzpflöcken gefüllt wurden, war es unmöglich, den Einschuss jedes einzelnen Schützen eindeutig zu klären.
Höhepunkt des Festes – und das hat sich bis heute nicht geändert – war am ersten Festtag der Umzug durch den Ort, vorbei an vielen Schaulustigen aus Letter und den benachbarten Gemeinden. Dabei wurden die schmucken Uniformen der „Chargierten“ – der Hauptleute, der Leutnants und der Korporale – bewundert. Diese „Schmuckstücke“, oft auch Phantasieuniformen, stammten in der Regel aus dem hannoverschen Kostümverleih Schwake.
Dem Festzug voran marschierten die „Pioniere“, unschwer an ihren schwarzen Bärten, den vorgebundenen Lederschürzen und den schweren Äxten zu erkennen. Sie hatten die Aufgabe, die von den Bewohnern aufgestellten Straßenbarrieren aus Sträuchern, Bäumen oder schweren Eisenbahnschwellen zur Seite zu räumen. Je länger diese Arbeiten dauerten, desto größer war die Freude bei den Schaulustigen.
Es folgten die Schützen mit geschulterten Holzgewehren, in deren „Mündungen“ kleine Blumensträuße steckten. Die Schaffer führten – wie heute noch die Bruchmeister beim hannoverschen Schützenfest – die einzelnen Abteilungen des Festzuges an. Für die Kinder war der „Paijatz“ die Hauptperson des Festes, eine Art Clown, der die Zuschauer mit seinen Späßen erfreute und der auch schon einmal gegen ein Trinkgeld die Schuhe der Festbesucher vom Staub befreite. Natürlich gab es auch eine musikalische Begleitung, die in Letter lange Zeit unter der Leitung von Kapellmeister Wittneben stand, der mit seinen Mannen später auch zum Tanz aufspielte.
Die Vergnügungsangebote auf dem Festplatz nahmen sich verglichen mit späteren Zeiten sehr bescheiden aus. So gab es um 1900 herum ein kleines Karussell mit Pferdchen, die Würstchenbude von Vater Laue und den Stand von Mutter Garnebow, die Süßigkeiten verkaufte. Im Festzelt selbst gab es eine „Offizierslaube“, vor denen die Pioniere Wacht hielten und dafür sorgen sollten, dass keine Flasche Wein „verschwand“. Allerdings lagen „die Wächter“ gegen Mitternacht meist „voll“ vor der Laube am Boden: unfähig, ihr wichtiges Amt zu versehen.
Die Königsscheibe wurde am zweiten Festtag überbracht. Dem Scheibenannageln ging wieder ein Festzug durch das Dorf voraus, wobei der Zug von Hof zu Hof marschierte. Ernst Bock berichtet, dass es dabei dem Paijatz und den Spielleuten erlaubt war, die Hühnernester auszunehmen. Der dritte Festtag stand im Zeichen der Frauen, die das Fest mit einer ausgedehnten Kaffeetafel beherrschten.
Vereinsgründung
Die Schützengesellschaft v. 1834 Letter wird ein „ordentlicher Verein“
Das letzte lettersche Schützenfest nach altem Brauch fand 1914 um Pfingsten herum statt. Bedingt durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und den danach folgenden unsicheren wirtschaftlichen Zeiten ruhte das Schützenwesen bis zum Jahr 1927, in dem der Friseur und Trichinenbeschauer Reinhold Hänze mit einigen Gleichgesinnten einen Schützenverein unter dem Namen „Schützengesellschaft von 1834 Letter“ gründete. Mit dem Vereinsnamen wurde auf die alte lettersche Tradition hingewiesen. Bis 1935 war Hänze 1. Vorsitzender; danach führte Friedrich Kauke die Gesellschaft bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.
Zwei Jahre nach der Vereinsgründung übergab der damalige Bürgermeister Hermann Wüstehoff (1885 – 1969) dem Verein einen Großkaliber Scheibenschießstand im Letter-Holz, der bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges genutzt wurde. Wüstehoff, einer der bekanntesten deutschen Sportschützen seiner Zeit, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP aus den Diensten der Gemeinde entlassen. In seiner Funktion als Präsident des Verbandes Hannoverscher Schützenvereine war er in den 50er Jahren noch oft Gast bei den letterschen Schützenfesten.
Nach der Vereinsgründung wurden die Schützenfeste auf dem Möllerkamp gefeiert, das sportliche Leben spielte sich auf dem Schießstand im Letter-Holz ab. Dort wurden auch bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Schützenkönige ausgeschossen, selbst im Jahr 1943 hat es noch ein Königsschießen gegeben. So wissen wir nichts darüber, inwieweit das Vereinsleben von der Gleichschaltungspolitik der Nationalsozialisten beeinflusst wurde. Das Foto beweist, dass sich uniformierte Parteimitglieder zumindest noch im Jahr 1934 in den Schützenumzug einreihten.
Im Jahr 1949 war es wieder Reinhold Hänze, der mit einigen Schützenbrüdern die erneute Gründung der Schützengesellschaft betrieb. Gut 60 Personen fanden sich zur Gründungsversammlung am 29.12.1949 ein und bezahlten noch am gleichen Tag ein Eintrittsgeld, um der Schützengesellschaft eine „Kassengrundlage“ zu schaffen. Zu den Teilnehmern dieser Versammlung gehörte auch Heinrich Volker, der Hänze ein Jahr später als Vorsitzender ablöste und danach 20 Jahre lang die Geschicke der Schützengesellschaft bestimmte.
Vivat Letter!
Die Aufschrift „Vivat Letter“ auf der Traditionsfahne der Schützengesellschaft von 1834 e.V. Letter erklärt Ernst Bock mit den Gebräuchen bei den Festumzügen der damaligen Zeit. So zog der Umzug auch am Gemeindevorsteher und am Festwirt vorbei, wo es für alle Getränke gab. Danach trat der Fahnenschwenker, „mit Schärpe, silberner Bandolier und Achselstücken, den Zylinder in der Hand, vor und bei den Worten:
„Unser Herr Gemeindevorsteher soll leben. Vivat!
Dies gilt seiner Frau, seinen Kindern und Hausgenossen. Vivat!“
Bei jedem dieser Ausrufe wurde die Fahne geschwenkt. Dann kam:
„Dies gilt dem Herrn General!
Dies gilt dem Herrn Adjudanten!
Dies gilt für die Herren Hauptleute!
Dies gilt für mich selbst!
Dies gilt für die Herren Schaffer und Schafferjungfrauen!
Dies gilt für die Herren Grenadiere oder Schützen und Jäger!
Dies gilt für die Herren Musikanten, Tambour und Paijatz!
Dies gilt sämtlichen Zuschauern!
Sie alle sollen leben, vivat hoch, hoch, hoch!“
Auch am zweiten Tag, wenn der Festzug von Hof zu Hof zog, soll sich laut Bock bei jedem Halt das gleiche Zeremoniell wiederholt haben. Und überall gab es dafür Bier und Schnaps.
Nachkriegszeit
Die Schützengesellschaft ist „in“
Nach der Wiedergründung der Schützengesellschaft im Jahr 1949 ging es relativ schnell bergauf mit dem Verein. Bis 1955 steigerte sich die Mitgliederzahl auf rund 190 Jungschützen, Schützen … und Damen, was in dieser Zeit eine Seltenheit für Schützenvereine war. Ein Jahr später wurde auch mit dem Aufbau eines Spielmannszuges begonnen, dem in seiner Glanzzeit Ende der 60er Jahre rund 20 Spielleute angehörten.
Es war „in“, Mitglied der Schützengesellschaft von 1834 e.V. Letter zu ein. So erinnert sich Dietrich Sackmann noch gut dran, dass er sich von einer Geburtstagsfeier heimlich „davon machte“, weil am gleichen Tag seine Aufnahme in die Schützengesellschaft vorgesehen war. Wie Sackmann, der der Gesellschaft auch das Grundstück für den ersten Schießstand an den Sandgruben verkaufte, war es für viele lettersche Geschäftsleute „ein Muss“, vor allem am gesellschaftlichen Leben der Schützengesellschaft teilzuhaben.
Noch heute schwärmen Zeitzeugen vom Festessen am Montagmittag mit über 300 Gästen: Einige Geschäfte blieben nachmittags geschlossen, weil der Inhaber auf dem Festplatz „versackt“ war. Heute ein Ding der Unmöglichkeit, weshalb das Festessen auch auf den Abend verlegt wurde, zu dem die Schützen heute eine ähnlich große Gästeschar begrüßen können. In späteren Zeiten – Letter gehörte da schon zur Stadt Seelze – machte der CDU-Ratsherr Richard Rosenwald von sich reden, als er gegen die Ansetzung einer Ratssitzung am „heiligen Schützenfest-Montag“ protestierte.
Und auch die Schützen nahmen am gesellschaftlichen Leben der Gemeinde regen Anteil. So ist im Landkreisteil der Hannoverschen Presse vom 2. Januar 1970 von der starken Beteiligung der Schützen am Neujahrsempfang der Gemeinde zu lesen und Leo Moll im Bild zu sehen, als er den ersten Schluck aus dem Siegerpokal des letterschen Gemeindepokalwettbewerbs nimmt. Dieser Wettbewerb im Minigolf, Kegeln und Schießen wird heute noch als Seelzer Stadtpokal fortgeführt, wobei dem Organisationsteam seit vielen Jahren auch lettersche Schützen angehören. Bei diesem Neujahrsempfang wurde der ehemalige Vorsitzende Ehrhardt Güldner vom damaligen Bürgermeister Hermann Röber mit der Ehrenmedaille der Gemeinde Letter ausgezeichnet.
Mit dem Bau des eigenen Schießstandes, über den noch zu berichten ist, wurden auch die sportlichen Leistungen der Schützen deutlich besser. Vor allem die Luftgewehrmannschaft mit Wilfried Holzapfel, Günter Kamissek, Hasso Klüver, Roland Malicki und Kurt Walle machte auf Kreis- und Bezirksebene von sich reden und stand wiederholt auf dem Siegertreppchen. Nicht zu vergessen Lothar Pippig, der sich als einer der Ersten für die Disziplin Luftpistole interessierte oder Ingrid Güldner, die 1961 beim Bundesschießen in München als jüngste Teilnehmerin für Furore sorgte: Um überhaupt über den Stand zu kommen, musste sie sich auf eine Bierkiste stellen.
Unvergessen sind auch die späteren Ausflüge der Schützen zum Bataillonsschießen in Barme. Mit der UZI-Maschinenpistole waren sie meist nicht zu schlagen und auch beim Schießen mit dem G3 – Gewehr ging einmal der Titel an die lettersche Mannschaft mit Leo Moll, Willi Westermann, Lothar Pippig, Roland Malicki und Kurt Walle. Ob Willi Westermann dabei von den 13 Tellern Erbsensuppe gedopt war, die er nach Augenzeugenberichten gegessen haben soll, ist nicht erwiesen.
Das Schießen mit dem Maschinengewehr wird zwei Schützen unvergesslich bleiben. Einmal Renate Bremer, die sich, vom Rattern des Maschinengewehrs erschrocken, in die Büsche schlug, und sicherlich auch Werner Kögel, der als „Ungedienter“ einmal den Siegerteller in Empfang nehmen konnte.
Die guten Beziehungen zur Bundeswehr wurden offensichtlich im Jahr 1965 begründet, als eine Pioniereinheit die Holzbrücke über die Leine fertig stellte. Mit den damaligen Pionieren Fritz Hönkhaus und Otto Renken sind die Letteraner heute noch verbunden.
Der lange Weg zur Schießsportanlage
Der Wunsch eines eigenen Schießstands entsteht
Zehn Jahre lang, bis 1959, musste das Klubzimmer des Vereinswirtes Georg Röhrbein an der Ecke Lange-Feld-Straße/Kurzer Kamp für die Schießübungen der letterschen Schützen herhalten. Günter Kamissek, von Walter Steuer beim Luftgewehrschießen im elterlichen Garten erwischt und zum Eintritt in die Schützengesellschaft überredet, erinnert sich noch gut daran, dass jeden Dienstag die notwendigen Utensilien wie die Handkurbeln, die Zugseile mit den Scheibenhaltern und die Kugelfänge aus dem Keller geholt, im Klubzimmer installiert und nach dem Übungsabend wieder abgebaut und zurückgebracht werden mussten. „Die Schützen, die sich am Aufbau beteiligten, durften aber auch als Erste schießen“, so Kamissek.
Schon früh hegten die Mitglieder den Wunsch, eine eigene Schießsportanlage zu bauen. Der erste Versuch, einen Schießstand im Garten des Vereinswirtes einzurichten, kam nach den Aufzeichnungen des damaligen ersten Vorsitzenden Heinrich Volker nicht über den Erdaushub hinaus. Allerdings war diese Arbeit nicht umsonst gewesen, denn mit dem Aushub verfüllten die Schützen die tiefe Sandgrube in der Alten Aue und ebneten den Platz, der heute noch als Festplatz dient, in mühevoller Arbeit ein.
Der Weg zum alten Schützenhaus
Das erste Schützenhaus am Schützenweg
Den zweiten Anlauf im Jahr 1957 ermöglichte dann der Schützenbruder Dietrich Sackmann, der dem Verein das Gelände an den Sandgruben, dem späteren Schützenweg, zunächst verpachtete und dann verkaufte. Baupläne wurden gezeichnet, eingereicht und genehmigt und dann wurde der Schießstand in Eigenarbeit „hochgezogen“. Unter den vielen Mitgliedern der Gesellschaft, die unzählige freiwillige Arbeitsstunden in den Bau investierten, war auch Maurermeister Heinrich Oelfke, der dem jungen Schützenbruder Kamissek beibrachte, aus dem auf dem Gelände gelagerten Bauschutt die noch verwendungsfähigen Steine herauszusuchen, den Putz abzuschlagen und sie sorgfältig aufzustapeln.
Kamissek erinnert sich noch gut an den hannoverschen Schützenausmarsch am 7. Juli 1958, als die letterschen Schützen danach nicht an die Theken zogen, sondern sofort nach Hause fuhren, um die Fundamente des Widerlagers der Kleinkaliberanlage in Beton zu gießen. Nur so war es möglich, die Anlage mit drei beleuchteten Kleinkaliberständen und dem kleinen Aufenthaltsraum schon im September 1958 in Betrieb zu nehmen.Das erste Königsschießen mit dem Kleinkalibergewehr fand am 9. August 1959 statt, im Oktober dieses Jahres waren auch die sechs Luftgewehrstände fertig gestellt.
Der Übungsbetrieb in der Gaststätte Röhrbein, nun von Willi Peters bewirtschaftet, wurde aber bis 1961 aufrechterhalten, denn den letterschen Schützen fehlte noch ein ausreichend großer Aufenthaltsraum. Der wurde 1964, ebenfalls in Eigenarbeit, gebaut. Groß genug für Versammlungen und Feiern, ausgestattet mit sanitären Anlagen und mit einer Theke, so dass die Bewirtschaftung des Schützenhaus möglich war. Bis 1988 fühlten sich die letterschen Schützen in diesem Haus pudelwohl, in dem so manche sportliche Trophäe errungen und so manche „feuchte Fete“ gefeiert wurde.
Das Kleinkaliberschießen war aber zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr möglich, da zum einen die Blenden schadhaft waren, zum anderen ein offener Schießstand unmittelbar am Rand der Wohnbebauung nicht mehr geduldet wurde. In langen Verhandlungen mit der Stadt Seelze reifte der Plan, am Bürgerhaus eine neue moderne Schießsportanlage zu bauen. Als Eigenkapital brachten die Schützen ihr Erspartes ein – das war Dank der Kassenführung von Gustav Bigge nicht wenig – und ihr Sportgelände, auf dem heute Reihenhäuser stehen, die Stadt Seelze förderte den Bau mit rund 450.000 Mark. Mit einer Party nahmen die Schützen am 27. September 1988 Abschied von ihrer alten Sportstätte, am 22.Oktober wurde die neue Schießsportanlage am Bürgerhaus eingeweiht.
Die neue Anlage
Die neue Schießsportanlage in Letter – ein Vorzeigeobjekt
ereits Anfang der 70er Jahre zeichnete sich ab, dass die Sportanlage der Schützengesellschaft Letter am Schützenweg keine Zukunft haben wird. Die Lärmbelästigung der Anwohner durch die offene Kleinkaliberanlage, die immer schärferen Sicherheitsbestimmungen und der Plan, die Bebauung in diesem Bereich weiter auszuweiten, ließen 1971 die letterschen Politiker die Zusage machen, man werde bei der Suche nach Alternativen und bei der Finanzierung eines eventuellen Neubaus helfen.
Der Weg bis zur Grundsteinlegung der neuen Schießsportanlage am 18. März 1988 war aber noch lang, steinig und mit vielen Diskussionen und Vorwürfen gepflastert. Die eine Alternative, die neue Schießsportanlage als dritten Bauabschnitt des Bürgerhauses zu verwirklichen, fiel zunächst den fehlenden finanziellen Mitteln zum Opfer. Die andere Alternative, den alten Schützenstand zu renovieren und die Kleinkaliberanlage zu „übertunneln“, scheiterte an den enormen Kosten, den Lärmschutzbedingungen und den schlechten Vermarktungsaussichten für die an das Schützenhaus angrenzenden Grundstücke.
Mit der Grundsteinlegung am Bürgerhaus nahm die unendliche Geschichte für die letterschen Schützen zunächst ein gutes Ende. Begünstigt wurde die politische Entscheidung sicherlich durch die Tatsache, dass auch die SG Letter 05, der größte Sportverein der Stadt, eine neue Heimstatt benötigte. In die Finanzierung, die letztlich die Grenze von einer Million Mark überschritt, brachte die Schützengesellschaft ihr Grundstück an den Sandgruben, ein erkleckliches Sparguthaben und die mit 70.000 Mark bezifferte Eigenleistung seiner Mitglieder ein; außerdem nahm die Gesellschaft ein Darlehen auf. Die Stadt gab den erhofften Zuschuss von 450.000 Mark.
Mit welcher Inbrunst und welchem Einsatz die Schützen unter Anleitung von Dieter Mischke ans Werk gingen, zeigt allein der kurze Zeitraum zwischen der Grundsteinlegung am 18. März und dem Richtfest am 4. Juni 1988. Zahlreiche Mitglieder nahmen sich Urlaub, um den Bau voranzubringen, andere kamen gleich von der Arbeit zur Baustelle, um Hand anzulegen. Diese heute kaum noch vorstellbare Gemeinschaftsleistung gipfelte darin, dass schon im August der Schützenkönig 1988 auf der neuen Kleinkaliberanlage ausgeschossen und die Einweihung der neuen Schießsportanlage am 22. Oktober gefeiert werden konnte.
Mit acht im Kellergeschoss untergebrachten Kleinkaliber- und Sportpistolenständen sowie 18 Luftgewehranlagen nannten die Letteraner jetzt eine der modernsten Schießsportanlagen der Region ihr Eigen. Bis zum Ausbau der Wilkenburg zu einem Bundesleistungszentrum nutzten vornehmlich in den Wintermonaten auch die Leistungsschützen des Landesverbandes und die Pistolenschützen des Vereins für Freihandschießen Hannover die moderne Anlage. Das Dankeschön des VfF wirkt sich bis in die heutige Zeit aus, denn seitdem dürfen die Letteraner als Gäste des VfF beim hannoverschen Schützenumzug mitmarschieren.
Mit dem Bau der Schießsportanlage hat sich der langjährige und unvergessene Vorsitzende Ehrhardt Güldner ein Denkmal gesetzt, das wie auch die „Güldnerstube“, der Aufenthaltsraum der Schützen, noch nachfolgende Schützengenerationen an den rührigen Vorsitzenden erinnern wird. Aber auch Denkmäler haben den Nachteil, dass sie irgendwann einmal Kosten nach sich ziehen.
Im Fall der Schießsportanlage ging das sogar sehr schnell. So erwies sich die Fördergemeinschaft Bürgerhaus, in der die Stadt, die SG Letter 05, der Karateclub Seelze und die Schützengesellschaft zusammengeschlossen waren und die die Finanzierung der Darlehens- und Betriebskosten übernehmen sollte, als wenig geeignetes Instrument, denn immer neue Reparaturkosten und immer wieder stagnierende Pachtzahlungen aus dem gastronomischen Bereich rissen stets neue Löcher in den Etat.
Mit dem Verkauf des Bürgerhauses an die Firma Mexcal wurde nicht nur die Fördergemeinschaft aufgelöst, sondern auch der vertraglich zugesicherte Zutritt der Schützen zu den sanitären Anlagen im gastronomischen Bereich immer schwieriger. Jahrelang musste man sich mit den beiden geduldeten „Nottoiletten“ im Kellergeschoss begnügen. Mit der Übernahme der Schießsportanlage auf der Basis eines Erbpachtvertrages und der Fertigstellung der von der Stadt bezuschussten Sanitäranlagen im Frühjahr 2009 sind die Schützen endlich „ihr eigener Herr im Hause“. Aber wie im Privatleben bedeutet das auch zusätzliche Kosten, die von der Mitgliederbeiträgen allein nicht zu bezahlen sind. So nutzen die Schützen jede Möglichkeit des Geldverdienens – sei es durch das große überregionale Preisschießen, sei es durch die Teilnahme am Weihnachtmarkt – um ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, die durch die Darlehensaufnahme für den Bau der sanitären Anlagen noch zugenommen haben.